Nils Weinberg
Studium der Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin, ab 03/2017 gefördert von der Studienstiftung des Deutschen Volkes. Schwerpunkt im Staats- und Verwaltungsrecht (Fakultätspreis). Erstes Staatsexamen im März 2019 (Platzziffer 1, Fakultätspreis). 11/2015-03/2019 studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Öffentliches Recht, insbesondere Verfassungsrecht, und Rechtsphilosophie (Prof. Dr. Christoph Möllers, LL.M.). 04/2019-01/2020 und seit 07/2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter ebendort. 09/2019-09/2020 LL.M.-Studium an der London School of Economics and Political Science (Spezialisierung: Legal Theory), gefördert von der Studenstiftung des Deutschen Volkes, ausgezeichnet mit dem Stanley De Smith Prize für den besten Abschluss in Public Law. Seit 10/2021 Doktorand im Graduiertenkolleg "Normativität - Kritik - Wandel".
Selbstbestimmte Identität. Die Form der Freiheit im Antidiskriminierungsrecht
Gleichheit, nicht Freiheit ist der Schlüsselbegriff des Antidiskriminierungsrechts. Nichtsdestotrotz werden Diskriminierungskonstellationen in der Rechtsprechung auch freiheitsrechtlich adressiert: Die intergeschlechtliche Person ist in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt, weil ein nicht-binärer amtlicher Geschlechtseintrag fehlt. Die Religionsfreiheit gestattet der muslimischen Lehrerin, in der Schule einen Hijab zu tragen. Die zwangsweise untergebrachte Person ist in ihrem Recht auf körperliche Selbstbestimmung betroffen, wenn sie zwangsbehandelt wird.
Die einschlägige Rechtsprechung kennzeichnet der Widerspruch zwischen Freiheit und Unfreiheit. Als Identitäten sind antidiskriminierungsrechtliche Kategorien selbstbestimmt, aber nicht gewählt und deshalb von einem Moment der Unfreiheit geprägt. Wegen dieser Struktur lassen sie sich als hegelsche zweite Natur verstehen. Die zweite Natur begegnet dem Menschen als Zwang, er ist ihr gegenüber unfrei. Zugleich ist sie Verwirklichungsmodus von Freiheit, Befreiung durch Aufhebung der unmittelbaren Natürlichkeit und „Bei-sich-selbst-Sein im Anderen“. Der Begriff der Freiheit, die als verwirklichte zu erstarren und deshalb in Unfreiheit umzuschlagen droht, ist also dialektisch. Diese Dialektik kennzeichnet die antidiskriminierungsrechtlich geschützten sozialen Identitäten. Ihr eigentümlicher, in der Logik des liberalen Rechts gründender Charakter diese spezifische Form von Freiheit.
Die Dialektik der Freiheit wirkt auf das Antidiskriminierungsrecht ein, das zugleich den Bestand der Identitäten und deren Veränderung schützt. Es kann wegen dieser inhärenten Widersprüchlichkeit zum Gegenstand immanenter Rechtskritik gemacht werden und dadurch transformiert werden. Darauf, eine solche immanente Rechtskritik für das Recht des Geschlechts, der Religion und der Behinderung darzulegen und dabei zugleich den transformativen Effekt der antidiskriminierungsrechtlichen Freiheitsform zu erweisen, zielt das Promotionsprojekt.
- »Ansätze zur Dogmatik der intersektionalen Benachteiligung«, in: Europäische Zeitschrift für Arbeitsrecht 2020, S. 60-77
- »Die Klimaschutzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts«, in: JZ 2021, S. 1069-1078 (gemeinsam mit Christoph Möllers)
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»Rezension von Janna Wessels, The Concealment Controversy (Cambridge University Press 2021)«, in: Kritische Justiz 2022, S. 259-261