Kritik als Praxis - Praxis als Kritik
Die Ringvorlesung findet donnerstags von 18.15 bis 19.45 im Hörsaal 1a der FU Berlin an der Habelschwerdter Allee 45 (Rost- und Silberlaube) statt. Eine aktive Teilnahme über den Livestream ist möglich, wobei der Stream in der Regel nur über Google Chrome einwandfrei funktioniert. Alternativ können Sie die Veranstaltung auch über Webex verfolgen. Mitschnitte der bisherigen Vorlesungen finden Sie in unserer Mediathek.
Sollten Sie sich die Teilnahme für Ihr Studium anrechnen lassen wollen, finden Sie alle relevanten Informationen zur LV im Vorlesungsverzeichnis. Falls Sie im individuellen Fall Fragen zur Anrechenbarkeit haben, wenden Sie sich zur Absprache bitte an Tobias Wieland (tobias.wieland@fu-berlin.de).
Eine Übersicht über das Programm der Ringvorlesung findet sich auf dem Plakat sowie unter Veranstaltungen/WiSem 22/23.
Die Vorlesungsreihe ist der möglicherweise überraschenden These gewidmet, dass Normen ihre bindende Kraft durch Kritik gewinnen. Diese These wird in Bezug auf so unterschiedliche Praktiken wie die Künste, das Recht, die Religion, die Sprache und die Moral verfolgt. Regelfolgen und Normanwendungen in diesen Praktiken führen demnach nicht zu stereotypen Abläufen, sondern zu einer steten Kritik leitender Standards und damit verbunden einem steten Wandel in Bezug auf sie. Normen sind in diesem grundlegenden Sinne zugleich subversiv und verpflichtend, distanzierend und einbindend, entfremdend und aneignend. Diese für das menschliche Handeln wesentliche Spannung in normativen Praktiken zeigt sich in ganz unterschiedlicher Weise in den Handlungskontexten, die Gegenstand der Vorlesungsreihe sind. Die Vorlesungsreihe »Kritik als Praxis. Praxis als Kritik« eröffnet damit einen interdisziplinären Zugang zum Phänomen der Kritik als einer grundlegenden Dimension menschlicher Praktiken. Kritische Perspektiven auf Standards in Kunst, Moral, Religion, Sprache oder Recht einzunehmen heißt, Standards nicht bloß aus der Beobachter*innenperspektive heraus zu kritisieren, sondern Teilnahme als kritischen Vollzug an der Praxis zu verstehen. Theorie ist Praxis und markiert keinen Ausstieg aus ihr. Das gilt für Kunst, Recht, Religion, Sprache und Moral in je besonderer Weise. Beispiele sind etwa der Wandel des alltäglichen Sprachgebrauchs wie gendergerechte Sprache oder Reflexion als Teil juristischer bzw. moralischer Urteilsbildung. Es geht in der Reihe zudem um nicht-sprachliche Formen kritischer Reflexion wie etwa musikalischer Praxis zwischen Schriftlichkeit und Verkörperung. Auch religiöse Praxis wird nach einem normativ konnotierten Skript in Form von Mythen und Ritualen strukturiert, das permanenter Gegenstand von durch Kritik angestoßenem Wandel ist.
Die Vorlesungsreihe entwirft damit eine Alternative zur verbreiteten Auffassung von Regelfolgen, nach der Praxis bloß als Anwendung von Standards begriffen wird und Standards allein als bindend und einschränkend verstanden werden. Normative Standards sind aber nicht trotz ihrer Kritik, sondern allein durch ihre Kritik bindend. Ausgehend von dieser Arbeitshypothese widmet sich die Vorlesungsreihe Fragen nach den Grenzen einer solchen Konzeption von Standards und ihrer Kritik. Wann gelingen oder scheitern Standards, wenn sich deren Struktur erst durch die Praktik zeigt? Was heißt es, seinem eigenen Anspruch gerecht zu werden, die eigenen Standards im Vollzug kritisch zu reflektieren?
Unsere PIs und PostDocs werden jeweils am Donnerstag von 18.15 bis 19.45 Uhr im Hörsaal 1a der Habelschwerdter Allee 45 ihre Überlegungen präsentieren.